Die Ausstellung im Rathaus Wiesbaden beleuchtet 100 Jahre Jugendarbeit – von Pionierprojekten bis zu digitalen Beteiligungsformaten. Eine Erfolgsgeschichte des gesellschaftlichen Engagements.
Im Licht des Rathausfoyers gleiten die Blicke der Gäste über historische plakative Bilder, Fotografien, alte Plakate und Dokumente. Stimmen summen durch den Raum, Gespräche entstehen. Mit einer feierlichen Geste hebt Beate Hock, Abteilung Grundsatz und Planung, das Mikrofon. Neben ihr stehen Daniela Less, Leiterin des Jugendamts und Dr. Patricia Becher, die Sozialdezernentin der Stadt. Ein bedeutender Moment: Zusammen eröffnen sie die Ausstellung 100 Jahre Jugendarbeit in Wiesbaden – ein Anlass zum Erinnern, zum Feiern und zum Vordenken – ein Jahr nach dem großen Jubiläum des Jugendamts.
Soziale und politische Bildung
Jugendarbeit ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft. Sie schafft Räume für Begegnung, Bildung und Beteiligung, betont Less. Die ausgestellten Exponate belegen eindrucksvoll, wie sich die Jugendarbeit über die Jahrzehnte gewandelt hat. Von den ersten Jugendheimen der 1920er-Jahre über internationale Begegnungen in den Nachkriegsjahren bis hin zu modernen Beteiligungsformaten – die Entwicklung zeigt, wie entscheidend die Jugendarbeit für die soziale und politische Bildung junger Menschen war und ist.
Von Pionieren und Visionären
Die Ausstellung beleuchtet Meilensteine der Jugendarbeit: Bereits in den 1950er-Jahren initiierte Wiesbaden Austauschprogramme mit europäischen Ländern – ein mutiger Schritt in einer Zeit, in der internationale Beziehungen erst wieder aufgebaut werden mussten. In den 1970er-Jahren kamen Jugendzentren hinzu, die als offene Treffpunkte für Kinder und Jugendliche dienten. Gleichzeitig entwickelte sich die mobile Jugendarbeit, die gezielt auf Jugendliche zuging, die sich nicht in klassische Einrichtungen einfügen konnten.
Auch kulturelle Projekte prägten die Jugendarbeit: Das 1977 gestartete Festival Folklore im Garten oder das mittlerweile international renommierte Graffiti-Event Meeting of Styles sind nur zwei Beispiele dafür, wie Jugendliche über kreative Ausdrucksformen gesellschaftliche Teilhabe erleben konnten.
Demokratiebildung und gesellschaftlicher Wandel
Unsere Demokratie ist auf eine starke Jugendarbeit angewiesen, sagte Dr. Becher in ihrer Ansprache. Sie hub hervor, dass Jugendarbeit nicht nur Freizeitgestaltung sei, sondern politische Bildung fördere. Programme wie Demokratie leben! oder lokale Jugendparlamente zeugten davon, dass Mitbestimmung und Selbstermächtigung längst feste Bestandteile der Jugendarbeit seien. Dabei ist das Ziel stets, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen und sie zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu machen.
Dennoch war die Geschichte der Jugendarbeit nicht frei von Herausforderungen. In den 1990er-Jahren gerieten viele Jugendzentren durch Sparmaßnahmen in Gefahr, einige mussten schließen. Aus dieser Krise entstand Neues: Die Vernetzung zwischen Jugendarbeit, Sozialarbeit und Bildungsinitiativen wurde intensiviert. Neue Kooperationen mit Unternehmen ermöglichten alternative Finanzierungskonzepte und stärkten die Nachhaltigkeit der Angebote.
Zukunftsperspektiven: Digital und divers
Wiesbadens Sozialdezernentin schaut nach vorne: Die Jugendarbeit der Gegenwart steht vor neuen Herausforderungen: Digitalisierung, soziale Medien und veränderte Freizeitgewohnheiten erfordern neue Konzepte. Jugendliche würden mehr Zeit online verbringen – und es stelle sich die Frage, wie Jugendarbeit hier Anschluss finden könne? Erste Ansätze zeigen, dass Social Media nicht nur Konkurrenz ist, sondern auch als Plattform zur Partizipation genutzt werden kann, so Becher.
Ein weiterer Fokus liegt auf Diversität und Inklusion. Die Jugendarbeit in Wiesbaden stellt sich aktiv den Fragen nach geschlechtsspezifischer Arbeit, interkulturellem Austausch und queeren Angeboten. Junge Menschen sollen sich in den Strukturen wiederfinden, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Status.

Durch die Ausstellung schlendern und ins Gespräch kommen: Insidergespräche, Spurensuche und bekannte Gesichter. ©2025 Volker Watschounek
Ein starkes Netzwerk
Die Eröffnung der Ausstellung endete mit einem großen Applaus. Die Jugendarbeit lebt von Menschen, die sich engagieren, betonten Less und Dr. Becher. Sie dankten allen, die über die Jahre hinweg mit Leidenschaft, Kreativität und Beharrlichkeit an den Projekten gearbeitet haben. Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen – und dieses Dorf gibt es hier in Wiesbaden. Die Worte im Ohr schwärmten die Gaste aus, schlenderten murmelnd und weisend durch die Ausstellung, die dazu einlädt, die Vergangenheit und Gegenwart der Jugendarbeit zu entdecken.
Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie viel erreicht wurde und welche Herausforderungen noch bevorstehen. Und eines ist sicher: Die Jugendarbeit bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft – heute, morgen und auch in den nächsten 100 Jahren.
Foto – Wiesbaden engagiert, ein Projekt von vielen ©2025 Volker Watschounek
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Mehr über die Mobile Jugendarbeit unter www.wiesbaden.de.